Bronzemedaille 23|24
Studentische Abschlussarbeit

Das perfekte Verbrechen: Zur Ermordung der Realität

Deutschland ist Krimiland. Mehr als 238 Krimiserien werden von den sechs größten deutschen Sendern ausgestrahlt, so dass die Zahl der fiktiven Morde die Zahl der tatsächlichen Fälle deutlich übersteigt. Diese Überrepräsentation markiert den Ausgangspunkt unserer Untersuchung über die Auswirkungen von Krimiserien auf unsere Wahrnehmung und unser Verhalten. Durch die Verwendung verschiedener Bildgebender Verfahren, welche auf Methoden moderner Polizeiarbeit beruhen, wird das in dokumentarische Bilder eingebettete Versprechen von Wahrheit, sowie die Wechselwirkung von Fiktion und Realität untersucht. Der Buch-Dummy ist Teil der gemeinsamen Abschlussarbeit von Jan A. Staiger und Malte Uchtmann im Studiengang "Fotojournalismus und Dokumentarfotografie" an der Hochschule Hannover. Für den Einband des Buches wird eine Farbe verwendet, die auf Körperwärme reagiert und somit dort kurzzeitig Fingerabdrücke hinterlassen werden. Transparente Folie auf schwarzem Papier dient dazu, die graphischen Archivbilder zu verbergen und aktiv sichtbar zu machen. In den Fotografien, welche an Sets von Krimiserien aufgenommen wurden, werden Szenen aus ihrem ursprünglichen Narrativ herausgelöst und ihr theatralischer Charakter verstärkt. Diesen Bildern werden scheinbar authentische Kriminalaufnahmen aus den Archiven der Filmproduktionen gegenübergestellt, welche wegen ihres graphischen Charakters erst von den Betrachtenden bewusst sichtbar gemacht werden müssen. Den Porträts von Schauspielenden werden Informationen über ihre Rollen als Opfer und Täter*innen in deutschen Krimiserien beigefügt. In Anlehnung an den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Rahmen von Überwachungstechniken und der Erstellung von Phantombildern in der modernen Polizeiarbeit werden die Gesichter der Schauspielenden im Aussehen verfremdet. Durch die Schaffung neuer möglicher Versionen ist die ursprüngliche Fotografie der Schauspielenden nicht mehr eindeutig identifizierbar, was zu einer Irritation der Wahrnehmung führt und eine eindeutige Kategorisierung verhindert. Die Portraits stellen unter anderem die Methoden historischer und moderner Polizeiarbeit in Frage, indem sie auf die Verwendung von "Mug-Shots" zur Kategorisierung und Stereotypisierung vermeintlicher Krimineller anhand ihrer physiognomischen Merkmale verweisen, wodurch das, was als kriminelles Verhalten angesehen wird, erfasst und pathologisiert wurde um es in der Welt beobachtbar zu machen. Diese Mechanismen dienen wiederum als eine der Grundlagen der heutigen KI-Trainings-Sets für Bilder und verstärken die auf visuellen Vorurteilen basierende menschliche Kategorisierung. Weiterhin wird die Entstehung von "Angsträumen" anhand von Orten untersucht, die als Filmkulissen für fiktive Tatorte gedient haben. Diese wurden mit photogrammetrischen 3D-Rekonstruktionen dokumentiert, ein Verfahren, welches in der heutigen Polizeiarbeit vermehrt zum Einsatz kommt. Im Anschluss wurden die 3D-Scans mit verschiedenen virtuellen Mitteln verändert, um die Auswirkungen der Inszenierung auf unsere Wahrnehmung zu untersuchen.


Bildautor*innen: Jan A. Staiger, Malte Uchtmann

Textautor*innen: Jan A. Staiger, Malte Uchtmann

Gestaltung: Jan A. Staiger, Malte Uchtmann, Max Heinemann

Herausgeber*innen: Jan A. Staiger, Malte Uchtmann

Verlag: Buch-Dummy

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