Material – Anhaftung – variabel
Beim Blättern in Barbara Proschaks erster monografischer Publikation erschließt sich ein Bilderkosmos, der den vielschichtigen, niemals statischen und stets überraschenden Umgang der Künstlerin mit dem Medium Fotografie, ihr Arbeiten mit und Abarbeiten an den Bildern offenlegt. Auf mehr als 500 Seiten reproduziert sie eine Auswahl an Doppelseiten aus ihren Skizzenbüchern, die sie über einen Zeitraum von 10 Jahren angelegt hat und in denen bestimmte Motive - Magnolienblüten, ein in Korea erstandener Bodyshaping-Anzug, ein sich in organischen Formen windender roter Designerstuhl, Ausschnitte von anatomischen Zeichnungen, Moulagen ihrer Muttermale, ein Schaukasten mit präparierten Schmetterlingen und unzählige mehr - den Betrachter*innen wiederholt begegnet. Mit Stringenz und gleichzeitiger Leichtigkeit, die dazu anregt, in dem Band vor und zurück und wieder nach vorn zu blättern und sich in diese bisweilen rätselhafte, immer faszinierende Bilderwelt Barbara Proschaks zu vertiefen, vermitteln die Doppelseiten Einblick in eine künstlerische Herangehensweise, in der die Beziehungen zwischen den einzelnen Bildern einer Serie, zwischen Einzelbild und Serie sowie den verschiedenen Werkgruppen untereinander stets in Bewegung sind. Dieses Moment der Bewegung wird auch darin deutlich, dass die Seiten der acht Skizzenbücher, von denen die Künstlerin das erste 2010 anregte durch einen Auslandsaufenthalt in London angelegt hat, nicht in chronologischer Reihenfolge reproduziert werden, sondern eher lose assoziativ aufeinanderfolgen. Eingestreut in eine längere Sequenz von Seiten aus dem ersten Buch finden sich einige wenige aus dem dritten, auf die Auseinandersetzung mit Hand- und Körpergesten und deren Gegenüberstellung mit dem schon erwähnten Stuhl folgt eine Doppelseite mit acht Pflanzenblüten zeigenden Glasdiapositiven, die die Künstlerin jeweils gegen das Licht hält. Vom zweiten Buch mit einer Auswahl von teilweise eingefärbten Aufnahmen von Hautoberflächen springen wir mit ihr in das fünfte, wo sich diese Bilder in hier nun leicht gekippter Form wiederfinden, wie ihnen aber auch im Ausstellungszusammenhang - als mehrteilige Arbeiten auf Tischen liegend - begegnen, um schließlich ähnliche Motive als malerisch anmutende Hautabdrücke der Künstlerin auf belichtetem Negativmaterial zu betrachten. Überhaupt ist es bemerkenswert zu verfolgen, wie in Proschaks Publikation Arbeit, Auswahl- und Entwicklungsprozesse sichtbar werden. Während die einzelnen Bilder in ihrer Präzision durchaus für sich stehen, sind sie stets auch in einen Prozess des Weiterdenkens und der (Neu-)Interpretation des fotografischen Materials verwickelt. Diese Prozesshaftigkeit wird insbesondere auf jenen Seiten sichtbar, auf denen verschiedene, nicht unbedingt zusammenhängenden Fotografien der Künstlerin auf farbigem Papier, auf Tafeln oder an der Wand ihres Ateliers zueinander in Beziehung treten und sich innerhalb dieser Konstellation visuelle Parallelen ergründen, Interessen vertiefen und Sehgewohnheiten in Frage stellen lassen. … von Christina Töpfer, Camera Austria International Ausgabe 159, Seite 89
Bildautor*innen: Barbara Proschak
Textautor*innen: Annekathrin Kohout
Gestaltung: Sven Lindhorst-Emme, studio lindhorst-emme+hinrichs
Herausgeber*innen: Barbara Proschak
Verlag: MMKoehn Verlag Leipzig
ISBN: 978-3-944903-77-4