Goldmedaille 25|26
Ausstellung

Science/Fiction

A Non-History of Plants

Von wissenschaftlichen Entdeckungen bis hin zu animistischen Vorstellungen, von der Furcht vor genetischen Veränderungen bis zu politischen Narrativen, vom Widerwillen zur Faszination – an Pflanzen macht sich eine unerschöpfliche Menge von Geschichten fest, in denen sich unsere intimsten Wünsche und Ängste offenbaren. Dieses Buch fragt nach den menschlichen Projektionen und Repräsentationen der Pflanzenwelt und es zeigt die Innerlichkeit, die Intelligenz und die Ausdrucksfähigkeiten von Pflanzen. Davon zeugen vor allem fotografische und filmische Bilder. Die Publikation zeichnet die visuelle Geschichte der Pflanzen nach, in der Kunst, Technologie und Wissenschaften von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart zusammenspielen. Ihre Erzähllogik entspricht dabei der eines Science-Fiction-Romans, da sie uns in einer verlässlichen, wiedererkennbaren Welt abholt, um uns dann allmählich in unsicherere Gegenden zu führen. Sie verführt dabei nicht chronologisch, sondern orientiert sich an zwei grundlegenden Konzepten: Wissenschaft und Fiktion. Das Buch enthält Werke von über 30 Künstler*innen aus unterschiedlichen Zeiten und Orten.

Bildautor*innen: Maison Européenne de la Photographie

Gestaltung: Natasha Agapova

Herausgeber*innen: Maison Européenne de la Photographie, Victoria Aresheva, Clothilde Morette

Verlag: Spector Books

Verlag Bestell-Link: Science/Fiction

ISBN: 978-3-95905-858-2

Laudation von Dr. Peter Pfrunder
Autor und Kurator (ehem. Direktor der Fotostiftung Schweiz), Zug (CH)

Science/Fiction. A Non-History of Plants ist kein gewöhnlicher Ausstellungskatalog. Das handliche Format, die äussere Verwandtschaft mit einem Reader, die verschiedenartigen Abbildungen oder die verschlungene Blindprägung auf dem grünen Buchdeckel machen Lust, in die Pflanzenwelt einzutauchen. Auch im Innern geht dieses Buch weit über eine didaktische Katalog-Präsentation hinaus. Hier wird anhand von rund 50 historischen und zeitgenössischen, visuellen Zugängen zum Pflanzenreich ein neues Narrativ angeboten, das die nach wie vor dominante anthropozentrische Sichtweise in Frage stellt. Dabei haben die Herausgeberinnen Victoria Arasheva und Clothilde Morette zusammen mit der Gestalterin Natasha Agapova eine überzeugende Form gefunden, um den komplexen inhaltlichen Ansatz sinnlich zu vermitteln. Mit den vorgestellten Positionen aus Fotografie und Film fordern sie ein radikales Umdenken: Pflanzen sind nicht länger nur als verwertbare oder dekorative, dem Menschen untergeordnete Ressource zu betrachten, sondern als gleichberechtigter Teil des planetaren Lebens, in dem alles mit allem zusammenhängt. In sechs organisch miteinander verknüpften Kapiteln werden Aspekte wie pflanzliche Handlungsfähigkeit oder Pflanzenintelligenz und -sensitivität verhandelt. Aber auch die Fremdheit und Unheimlichkeit des Pflanzenreichs werden thematisiert – ein enormes fiktionales Potenzial, das Kunstschaffende immer wieder inspiriert hat.

Dank unterschiedlichen Papieren, geschickt eingesetzten typografischen Elementen und einem gut organisierten Gefüge von Textsorten bedient sich A Non-History of Plants einer faszinierenden, gewissermassen wuchernden Architektur, in der man spielerisch zwischen Kunst, Wissenschaft, Fiktion und philosophischer Reflexion hin und her pendeln kann. Der Band widersetzt sich einer rationalen, linearen, von einem menschlichen Zeitverständnis geprägte Erzählweise. Um so deutlicher führt er vor Augen, wie Fotografie und Film dazu beitragen können, unsere «Pflanzenblindheit» zu überwinden.

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