Goldmedaille 24|25
Fototheorie Textband

Photomurals

Fotografische Wandbilder in transnationalen Aushandlungsprozessen zwischen Mexiko und den USA

Das fotografische Wandbild, das sogenannte photomural, wurde in den USA der 1930er Jahre zu einem Inbegriff nationaler Kunst und dabei als Gegenentwurf zum mexikanischen Muralismus positioniert. Der Begriff taucht in den USA erstmals 1930 auf und steht in Zusammenhang mit der Markteinführung großformatiger Fotopapiere durch die Eastman Kodak Company. In den folgenden Jahren entwickelte sich das photomural erst zu einem Dekorationsmedium im Privatraum und stieg schließlich zu einer nationalen Kunstform auf. Johanna Spanke untersucht erstmals, inwiefern der Aufstieg des photomural als das Resultat eines Aushandlungsprozesses zwischen Mexiko und den USA begriffen werden kann, bei dem nicht nur nationale Identitätskonstruktionen und Modernitätsdiskurse eine Rolle spielen, sondern auch eine Medienkonkurrenz verhandelt wird. Der Band leistet einen wichtigen Beitrag zu verflechtungsgeschichtlichen Perspektiven auf die US-amerikanische Kunstgeschichte, der intermediale und transnationale Aushandlungen, aber auch Gender Aspekte zentral in den Vordergrund rückt. Denn durch diese Prozesse angestoßen fand auf dem Feld künstlerischer Wandgestaltung eine Verschiebung statt, die es weiblichen Akteurinnen, wie der Mexikanerin Lola Álvarez Bravo und der US-Amerikanerin Margaret Bourke-White, ermöglichte, bis in die erste Reihe vorzustoßen. Während in der mexikanischen Wandmalereibewegung des Muralismus Künstlerinnen noch als eine auffallend marginale Erscheinung gelten können, hatten Bourke-White und Álvarez Bravo sogar entscheidenden Anteil am Aufstieg des fotografischen Wandbilds zu einer eigenständigen Kunstform. Hauptteile des Buches sind daher zentralen, teilweise der Forschung noch gänzlich unbekannten Werken im Schaffen dieser beiden Fotografinnen gewidmet.

Bildautor*innen: Lola Álvarez Bravo, Margaret Bourke-White, u.a.

Textautor*innen: Johanna Spanke

Gestaltung: Kerstin Protz, De Gruyter

Verlag: De Gruyter Verlag

Verlag Bestell-Link: Photomurals

ISBN: 9783110789249

Laudation von Prof. Dr. Bernd Stiegler
Universität Konstanz | Fachbereich Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften

Es ist mir eine große Freude, Ihnen die diesjährige Preisträgerin in gold der Kategorie 07 vorzustellen. Es ist Johanna Spanke mit ihrem Buch Photomurals. Fotografische Wandbilder in transnationalen Aushandlungsprozessen zwischen Mexiko und den USA, das letztes Jahr bei De Gruyter erschienen ist. Es hat die Jury unisono begeistert, da es auf souveräne, materialreiche und pointierte Weise einen Bereich der Fotogeschichte vorstellt, dem bisher viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Noch dazu ist es ein eminent politisches Thema, weil es hier um eine besondere Form der Fotografie im öffentlichen Raum geht. Die Fotografie der Photomurals ist nicht nur raumgreifend, sondern versteht sich als ein dezidiert performatives Medium, das Stellung bezieht und zugleich versucht die Besucher*innen, die an ihm vorbeilaufen, in ihren Bann zu ziehen. Angesichts der Größe der Arbeiten, die sich in Metern mißt, ist es kaum überraschend, daß wir es zumeist mit Auftragsarbeiten zu tun haben. Sie finden sich in Eingangshallen, auf Plätzen, an Fassaden, in Transiträumen, sind manchmal mobil und passager, manchmal fest installiert. Sie haben einen Bezug zur Werbung, da sie zumeist auch eine Botschaft haben, und sind heute als Seismographen politischer Konstellationen und Friktionen, Initiativen und Programme entzifferbar. Es sind fotografische Wandbilder, die gemalte Fresken ablösen und mit diesen auch in einem intermedialen Bezug stehen. Spätestens seit den Avantgarden werden sie breit eingesetzt – und das natürlich auch im Kontext der Propaganda. In Rußland waren sie sehr beliebt und das nicht erst im Stalinismus, sondern auch schon zu Zeiten, als der Konstruktivismus noch im Sinne der Revolution war. In Johanna Spankes Buch geht es allerdings um die Vereinigten Staaten und Mexico, zwei Nachbarländer, die bis heute sehr unterschiedliche politische Wege verfolgen. In welcher Weise sie das tun, wie das crisscrossing, die Nähe und Ferne, auch mittels Fotos verhandelt werden, schildert filigran ihr Buch. Lesen Sie es! Sie werden begeistert sein.

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