ROTEM

Meine Trauer über den Tod meiner Großmutter verarbeitete ich in der Fotoserie „Rotem“ und lernte meine Großmutter ganz neu kennen.
Meine Großmutter stammte vom Land, aber nach ihrer Kindheit hat sie ihr ganzes Leben in der Hauptstadt Seoul verbracht. Aber sie wollte immer dorthin zurückkehren, wo sie Bäume und Blumen pflanzen und den Gesang der Vögel in den Bergen hören konnte. Wenige Jahre vor ihrem Tod erfüllte sie sich diesen Traum. Sie nannte ihr Haus immer scherzhaft „Rotem“, was auf Deutsch Ginsterbaum bedeutet und in der Wüste die einzige Möglichkeit war, Schutz vor der Sonne zu finden. Der Baum ist an sich nicht groß und spielt in der Bibel oft eine Rolle.

Zusammen mit einer Freundin, die einen ähnlichen Werdegang hatte, kaufte und renovierte sie ein Haus in einem kleinen Dorf. Meine Großmutter starb, als ich in Deutschland lebte, und ich deswegen nicht an der Beerdigung teilnehmen konnte, weil sie plötzlich starb. Ich besuchte diesen Ort zum ersten Mal nach ihrem plötzlichen Tod und fotografierte die Umgebung und ihr Haus. Ihre Abwesenheit und gleichzeitige Präsenz zeigt sich in den alltäglichen Dingen und Spuren ebenso wie in der Anwesenheit ihrer Freundin.

Neben der Fotografie habe ich ihre Autobiographie, die sie selbst geschrieben hat, ins Koreanische und Deutsche aufbereitet und ein Fotobuch mit meinen Fotos erstellt. Die Fotos wurden einmal nach der Beerdigung und zwei Jahre später aufgenommen. Die Texte und Fotos erzählen gleichzeitig ihre Geschichte und meine Sicht darauf.

Der Ort erzählt ihre Lebensgeschichte, und ihre Lebensgeschichte ist eine sehr persönliche Geschichte. Aber es ist auch eine Geschichte, die im übertragenen Sinne für sehr viele Frauen nach dem Koreakrieg gilt. Die koreanische Schriftstellerin Wanseo Park reflektiert über ihr Leben: "Die Jahre meines Lebens sind Teil einer gemeinsamen persönlichen Geschichte. Sie gehören mir, aber sie gehören auch allen, die zur gleichen Zeit gelebt haben. “