Plexus

Nach dem Tod ihrer Großmutter begibt sich die Künstlerin Elena Helfrecht fünf Jahre lang auf eine fotografische Reise durch ihr Familienanwesen in Bayern. Mithilfe der Innenräume, Objekte und Archive des Hauses spürt sie den Prozessen von Traumavererbung und Postmemory nach – der Beziehung einer Generationen zu den Traumata der vorhergehenden.

In ihren Schwarz-Weiß-Fotografien inszeniert Helfrecht ein allegorisches Theaterstück mit Haus und Inventar als Bühne und Darsteller. Die Räume und Stillleben, die auf den ersten Blick alltäglich erscheinen, gleiten ins Traumartige ab: Stalaktiten tropfen seitwärts von Türen, unter den Bodendielen tun sich gähnende Abgründe auf, Schlangen winden sich um ein Modellhaus. Fotografien von Eiern, Vögeln und organischen Auswüchsen (eine Anspielung auf den Titel »Plexus« – ein Netzwerk von Nerven oder Gefäßen) werden mit Archivbildern verwoben: Ein Hinweis auf das vielschichtige Beziehungsgeflecht zwischen Orten, Menschen und Symbolen.

»Das englische Wort ›to re-member‹ beschreibt den Prozess für mich sehr treffend: Ich setze die alte Geschichte neu zusammen und schließe die verbliebenen Lücken mit fiktiven Elementen, um daraus eine symbolische Narrative zu konstruieren, die über persönliche oder nationale Grenzen hinausgeht. Das Haus wird zum Tor zwischen Vergangenheit und Gegenwart.«

Helfrechts Bilder verweisen auf die Kopfkonstrukte, die sich in Erinnerungen und Geschichtsschreibung einschleichen, und machen die Auswirkungen von Krieg, Geschichte und Psychologie visuell erfahrbar.

Das Buch enthält eine Kurzgeschichte von Camilla Grudova, die 2023 als eine der Granta Best of Young British Novelists ausgezeichnet wurde: »The House Surgeon« handelt von Tumoren, die sich unter den Dielen eines Familienhauses bilden, und spinnt den Faden der Bilder weiter. Um den Text zu lesen, müssen die hinteren Seiten – ganz im Sinne des Hauschirurgen – zuerst aufgeschnitten werden. Auch zwischen manchen Seiten verbergen sich Fotografien.