Vier Fragen an Dr. Katharina Günther. Goldmedaille 2023.

Die Idee ist natürlich nicht neu. Sie ausgeliehen von Stefan Gronert und seinem Foto-Kunst-Theorie-Blog vom Sprengel Museum, den wir nur empfehlen können. Prädikat wertvoll. Stefan Gronert war 2023 zu Gast bei uns auf dem Festival in Regensburg.

Vier Fragen bieten sich an und machen Sinn für kurze prägnante Statements.

Dr. Katharina Günther gewann 2023 mit ihrer Publikation »Francis Bacon – In the Mirror of Photography« in der Kategorie 07 »Textband Fototheorie« die Goldmedaille und war zu Gast bei unserem Fotobuch-Talk auf der Frankfurter Buchmesse 2024.

Vier Fragen an Dr. Katharina Günther
Welche Rolle spielt für Dich die Fotografie/das fotografische Bild?

Die Fotografie ist für mich schon sehr lange der Gegenstand meiner Forschung, sei es um Francis Bacons fotografische Quellen für seine Gemälde zu identifizieren oder Lee Millers Buchenwald Fotografien zu analysieren und zu interpretieren. Bei aller – manchmal nüchterner – professioneller Beschäftigung ist es doch immer wieder faszinierend, wie einzelne Bilder es schaffen, einen zu packen und in ihre Welt zu ziehen. Plötzlich stellt man fest, dass man schon eine Stunde lang durch alte Vogue-Ausgaben aus den 1950er Jahren geblättert hat, begeistert von der wunderbaren Modefotografie der Zeit. Diese Fähigkeit motiviert mich immer wieder aufs Neue, mich mit dem Medium zu befassen.

Welche Bedeutung hat für Dich das Fotobuch, welche Rolle spielt es in Deinem beruflichen Alltag?

Beruflich habe ich mich bisher wenig mit Fotobüchern beschäftigt, privat stehen aber einige im Regal: Besonders mag ich David Farrells The Swallowing Tree (Dublin 2014) über einen Wald nahe Wilkinstown, Republik Irland, an dem wiederholt nach von der IRA in den 1970ern ermordeten Personen gesucht wurde. Die Natur erobert sich den Ort immer wieder zurück. Das Fotobuch ist für mich ein künstlerisches Medium mit ganz einzigartigen formellen Eigenschaften, dem es beispielsweise möglich ist, solcherlei Chronologien abzubilden.

Wie siehst Du die Zukunft der (Foto)Bücher?

Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek ist Teil der Klassik Stiftung in Weimar, wo ich die letzten Jahre gearbeitet habe. Dort lagert eine Fülle an teils jahrhundertealten Büchern, die die Zeit besser und nachhaltiger überdauern als so manches digitale Projekt von heute. Bücher generell werden bleiben, ebenso wie das Medium Fotobuch. Ich denke, dass dessen besondere Attraktivität heute sogar in seiner Materialität und Haptizität liegt. Hier gibt es viel Spielraum für innovative künstlerische Ansätze.

Wie schätzt Du die Bedeutung von fotografischen Bildern heute ein?

Fotografische Bilder sind heute wichtiger und präsenter denn je – wir werden geradezu von ihnen überflutet. Noch immer übernehmen sie dokumentarische Aufgaben, dienen aber auch als Mittel der Selbstvergewisserung, Identitäts- und Markenbildung auf Social Media oder, von KI manipuliert, als Instrumente politischer Propaganda oder Träger sonstiger verzerrter Botschaften. Es ist wichtig, dass wir heute beim Betrachten und Bewerten fotografischer Bilder technische, aber beispielsweise auch gesellschaftliche Entwicklungen mitdenken – auf gewisse Weise müssen wir sie neu lesen lernen. Umso mehr freue ich mich über die Vielfalt neuer künstlerisch-fotografischer Positionen, die uns erlauben, andere Kriterien anzusetzen, die vielleicht Poesie vermitteln, das Unbewusste ansprechen und ästhetischen Genuss erlauben.

Herzlichen Dank an Dr. Katharina Günther.

Hinweis zum Buch:

Francis Bacon – In the Mirror of Photography – Collecting, Preparatory Practice and Painting
Verlag: De Gruyter
Herausgeberin: Katharina Günther
Bildautorinnen: Diverse
Textautorin: Katharina Günther
ISBN 9783110720624

Kurzbiografie:

Dr. Katharina Günther studierte Kunstgeschichte in Köln und Antwerpen und wurde 2019 mit einer Arbeit über Francis Bacons fotografische Quellen von der Universität zu Köln promoviert. Seit 2010 forschte sie in Dublin und London für den »The Estate of Francis Bacon«, die »Francis Bacon MB Art Foundation« und das »John Deakin Archive«. Ab 2015 baute sie als Projektleiterin in London die offizielle Website mit digitalem »Catalogue Raisonné« des Bacon Nachlasses auf. Bis März 2024 arbeitete sie als wissenschaftliche Geschäftsführerin des Forschungsverbunds Marbach Weimar Wolfenbüttel an der Klassik Stiftung Weimar. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der britischen Kunst des 20. Jh., insbesondere figurativer Nachkriegsmalerei, dem Verhältnis Malerei und Fotografie, Fotografie in Krisengebieten sowie »Augmented Reality« in der zeitgenössischen Kunst, die sie in internationalen Publikationen, Ausstellungen und Lehraufträgen thematisiert.

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